Kahlschlag im Jammerpark
Nachverdichtungen sind in Erlangen eine besonders heikle Sache. Die Schaffung von dringend gebrauchtem bezahlbaren Wohnraum steht in Konkurrenz zum Erhalt gewachsener Strukturen und vor allem zum Naturschutz. Die Stadt hat richtig erkannt, dass Projekte nur konfliktarm verwirklicht werden können, wenn die Akzeptanz in der Bevölkerung hoch ist – und liefert doch selbst immer wieder Beispiele dafür, wie man es nicht machen sollte. Stichwort: Bebauungsplan 345 Hans-Geiger-Straße.
Wohlgemerkt, der BUND Naturschutz akzeptiert den Beschluss des Stadtrats, mit dem der Bebauungsplan in Kraft gesetzt wurde. Doch wir kritisieren die Umsetzung. Die Naturschutzverbände hatten im Beteiligungsverfahren Verbesserungsvorschläge gemacht und durchgesetzt, etwa den Verzicht auf den Bau eines von vier vorgesehen Punkthäusern. Weil die Kritiker nun zufrieden gestellt zu sein schienen, glaubte sie Stadt offenbar, die Sache sei gelaufen. Dann machte sich die Wohnbaugesellschaft GBW ans Werk, und das hieß zunächst einmal großflächige Baumfällungen. Kritik daran beschwichtigte die Stadt mit dem Hinweis, alles sei ordentlich genehmigt und werde artenschutzfachlich überwacht. Doch die Rodung von 19 Bäumen, die (noch) nicht gefällt werden sollten, für deren Abholzung dann aber plötzlich doch eine Ausnahmegenehmigung erteilt wurde, brachte die Gemüter erneut in Wallung.
Als vonseiten der Lokalpolitik gar verharmlosend zu hören war, diese 19 seien doch ein Klacks gegenüber den vielen hundert, die schon Kettensägen und Baggern zum Opfer gefallen waren, ging der Schuss nach hinten los.
Vertreter der BN-Kreisgruppe trafen sich mit empörten Anwohnern zum Ortstermin und machten sich ein Bild vom Stand der Arbeiten - ein Bild des Jammers. Das Areal, in dem 300 bis 400 Wohneinheiten entstehen sollen und das nach den Ankündigungen von von Stadt und Bauträgern zur grünen Oase werden soll, zeigte sich als eine riesige Kahlfläche zwischen zum Teil schon leer stehenden Wohnblocks.
Sicher, solche Projekte gehen nicht ohne schmerzhafte Eingriffe in die Natur über die Bühne – aber gleich so radikal? Wir erinnerten uns beim Rundgang an das Ergebnis der speziellen artenschutzfachlichen Prüfung. Darin heißt es unter Vermeidungsmaßnahmen:
„Um mögliche Störungen durch den Betrieb infolge der Nachverdichtung und Eingriffe in Lebensräume zu beschränken, wird die Realisierung in mehrere Abschnitte unterteilt. Dabei können die noch nicht oder nicht mehr tangierten Flächen gezielt Ausgleichsfunktionen im engen räumlichen Zusammenhang übernehmen.“
Die Einhaltung sämtlicher Vermeidungsmaßnahmen stellt eine verbindliche Voraussetzung für die artenschutzrechtliche Zulässigkeit der mit dem Bebauungsplan verbundenen Eingriffe in die Natur dar. Wir sahen in der großflächigen Rodung einen Verstoß gegen diese Auflage und protestierten in einem Brief an Oberbürgermeister Florian Janik und an die Stadtratsfraktionen dagegen wie auch gegen die zusätzliche Rodung von 19 Bäumen.
Damit brachten wir einen Stein ins Rollen – und Licht in Vorgänge, die die Stadt wohl lieber diskret behandelt hätte. Es stellte sich nämlich nach und nach heraus, dass es tatsächlich ein abschnittweises Vorgehen gab, von dem aber nicht einmal viele Insider wussten. Die Stadt hatte das nie kommuniziert, die GBW auch nicht. Aber das Ergebnis war offenkundig: Mit dem zweiten von insgesamt vier Abschnitten waren schon 80 Prozent der vorgesehenen Bäume gerodet. Das kommt einem Kahlschlag ziemlich nahe, heißt aber im amtlichen Sprachgebrauch anders. Zentrales Element des Bauleitplans sei der Schutz des vorhandenen Baumbestands, schreibt Baureferent Weber, und die radikale Rodung folge dem „vorgegebenen Bauablauf“ unter Beteiligung des Stadtplanungsamts und der zuständigen Fachdienststellen für Baum- und Artenschutz.
Warum aber hat niemand die Bewohner – und vielleicht auch die Umweltverbände und andere Betroffene - frühzeitig offen darüber informiert, welcher der vier Bauabschnitt wann an die Reihe kommt und dass schon bei „Halbzeit“ (dem zweiten Schritt) 80 Prozent der Bäume gefällt werden? Warum kommt ohne Vorwarnung praktisch über Nacht von einer unteren Verwaltungsebene die Genehmigung, zusätzlich 19 Bäume vom Fällverbot auszunehmen, offiziell für temporäre Stellplätze der Bewohner. Als hätte man die nur an dieser Stelle unterbringen können.
Die Stadt betont, sie habe die GBW aufgefordert, diese Fällung den Anwohnern bekannt zu geben, das habe der Bauträger aber nicht gemacht. Die Stadt selbst wollte auch nicht informieren, weil sie befürchtete, die Rodung könne für eine von der Verwaltung angeordnete Maßnahme gehalten werden. Zeigt nicht genau dieses Schwarze-Peter-Spiel, dass die Stadt ahnt, wie wenig Vertrauen sie bei den Bürgern hat (von der GBW gar nicht zu reden)? Und dass sie den Rest auch noch selbst untergräbt?
Übrigens will die GBW das Areal Jaminpark nennen, in Anlehnung an einen Erlanger Medizinprofessor, der schon einer Straße in der Rathenau den Namen gab. Nichts gegen ihn, aber angesichts der Umstände wäre „Jammerpark“ der bessere Name.
Auf der Internetseite der Dawonia (https://www.dawonia.de/www.dawonia.de/mieten---quartiere/DA-Jaminpark-Flyer-Digital-Doppelseiten.pdf) sieht das Quartier noch wie ein Park aus. Die Wirklichkeit ist anders (siehe die neuen Fotos)
Herbert Fuehr, 18.02.2018


